09. 10. 2020 Verschiedene Welten
Schwarz - weiß - bunt
Ich ziehe meine weiße Regenjacke an und gehe im erfrischenden Landregen am Nachmittag zum Feensteig. Das Wasser tropft von meiner Jacke und meine weiße Hose wird nass. Die Bewegung hält mich warm. Es ist schön im Regen zu laufen.
Ich sehe die klaren Tropfen an den Hagebutten und Weißdornfrüchten hängen. Der Ahorn hat sein Laub goldgelb gefärbt und einen Teil davon als goldenen Teppich vor meinen Füßen ausgebreitet.
Als ich über das Goldlaub laufe spüre ich den Unterschied zum Grün des Weges. Jedes Mal, wenn das goldene Laub unter meinen Füßen ist, fühle ich eine besondere kraftvolle Freude in mir aufsteigen.
Ich laufe, fühle, laufe, fühle, erfreue mich am Herbst.
Als ich kurz vor dem Tor zum Hainich angekommen bin, höre ich fröhliche Kinderstimmen aus Richtung Schatz an mein Ohr dringen.
Noch ein paar Meter und ich sehe die große bunte Gruppe. Es sind bestimmt 20 Personen. Kleine Kinder im Kinderwagen, etwas größere Kinder und kindgebliebene Erwachsene.
Sie stehen da mit ihrem farbigen Schirmen, mit ihren bunten Regenjacken und bilden einen großen bunten Regenbogen aus offenen herzlichen Menschen. Obwohl es regnet, sind sie hier und strahlen Freude aus.
Die Welt ist bunt, quirlig lebendig und farbig.
„Das ist ja wunderbar, dass ihr bei diesem Regen hier seid.“ Ein Junge findet es gerade nicht so toll. „Schau, bei diesem Regen schäumen manche Bäume: Das sieht aus wie der Seifenschaum bei dir in der Badewanne.“ Jetzt ist er neugierig geworden.
Ich laufe weiter und entdecke an verschiedenen Bäumen weißen Seifenschaum. Ich laufe bis zum Jungbrunnen , umrunde ihn und laufe den gleichen Weg zurück, den ich gekommen bin.
Eine fünfköpfige Familie kommt gerade aus Richtung Baumkronenpfad über die hölzerne Brücke gelaufen.
Der komplette Kontrast zur bunten „Großfamilie“ von eben. Ein Junge, so ca. 10 Jahre alt, trägt unter seiner dunklen Kapuze eine weiße Maske.
Ich bin verwundert, traue meinen Augen nicht. Was will der Junge mit einer Maske in der frischen Waldluft? Pollen fliegen doch nicht bei dem Regen oder ? Ich kann es nicht glauben, laufe weiter und drehe mich noch einmal um. Jetzt hat doch tatsächlich eine weitere Person eine weiße Maske unter der Kapuze aufgesetzt. Beide wirken wie versteinert auf mich.
Hinter mir die fünf dunklen Gestalten, vor mir die bunte Welt, dazwischen laufe ich, ganz in weiß.
Es fühlt sich an wie Schwarz-Weiß und dann wieder Weiß und der Spektralfarbe Regenbogen,so, als ob ich dazwischen stehe, zwischen diesen beiden verschiedenen Welten. Eine auf mich versteinert wirkende maskierte Familie und den fröhlich lachenden bunte Menschenmenge.
Kurz hinter der Furchtlosigkeit treffen sich die beiden so verschiedenen Gruppen, ohne wirklich voneinander Notiz zu nehmen. Das Dunkle zieht hinter mir her und das Bunte geht weiter zum Jungbrunnen . Am Schatz halte ich noch einmal kurz an. Die fünf Gestalten sind jetzt ganz dicht hinter mir. Ich durchschreite die Öffnung und stehe vor dem Tor zum Hainich. Jetzt drehe ich mich um und muss den Jungen doch fragen. „Ist dir die Luft zu frisch oder wieso hast du eine Maske auf?“ „Stimmt“, sagt die Mutter, im Wald braucht man ja keine Maske.“ „Ich bin Mikrobiologin“, höre ich mich sagen. „Wenn Sie wüssten, was da alles so drin lebt in den Masken, ich glaube nicht, dass sie das wirklich einatmen wollen. Frische Waldluft ist noch immer das Gesündeste.“ Jetzt zieht der Junge die Maske ab und ich sehe wieder ein menschliches freundliches Jungengesicht. Es ist eine ganz andere Energie, die von ihm jetzt ausgeht. Hinter dem versteinert wirkenden Maskierten, entpuppt sich jetzt ein lebendiger strahlender Junge. Jetzt kann ich mit ihm in Kontakt treten. Mit Maske ist dies kaum möglich.
Ich finde, dass:
Masken versteinern.
Masken entfremden.
Masken entmenschlichen.
Ein Lächeln macht weich.
Ein Lächeln verbindet.
Ein Lächeln macht uns menschlich.
Lachen vertreibt die Angst, Lachen vertreibt die Schwermut, Lachen vertreibt die Dunkelheit.
Lachen macht uns gesund, glücklich und menschlich.
Also schenken wir uns einander ein freudiges freies Lächeln, Licht und Liebe und umarmen einander, dann bleiben wir auch gesund.
Katrin