19. 11. 2019 Sanfte Blicke
Raum der Stille
Gestern Abend war ich in der Georgenkirche in Eisenach. Pater Anselm Grün hat seine Gedanken zu „Advent- Zeit der Sehnsucht und Besinnung“ in die Gemeinschaft der anwesenden Menschen getragen.
Die Georgenkirche in Eisenach ist ein sehr besonderer Ort. Hier kreuzen sich Lebens-Linien, hier werden Geschichte und Gegenwart verknüpft.
In der Georgenkirche wurde die Heilige Elisabeth getraut, Johann Sebastian Bach getauft und Luther predigte hier seine Gedanken von der Kanzel. Pater Anselm Grün, ein katholischer Mönch, der in einer evangelisch–lutherischen Kirche zu Gast ist, zeigt, dass Ökumene lebbar ist und Gott allgegenwärtig. In seinen Ausführungen schlägt er die Brücken zur modernen Psychologie.
Menschen sind immer auf der Sucht. Viele fallen in eine Sucht. Doch uns alle treibt die Sehnsucht an. Die Sehnsucht nach dieser Erfahrung von Göttlichem. Er beleuchtet einige Aspekte der vorweihnachtlichen Zeit, des Advents, was soviel wie „Ankunft“ heißt.
Die Ankunft wovon? In dieser Zeit des Adventes leben alte Rituale wieder auf und schaffen Gemeinschaft. So brennen in dieser dunklen Jahreszeit die Kerzen mit ihrem hellen Schein. Sie werfen einen milden Blick auf uns. Durch die Einkehr in sich selbst, in den Raum der Stille, können wir uns selbst, unser Selbst, wieder fühlen. Dort in uns ist der Raum des Göttlichen angelegt. Durch Stille und Präsenz ist er erfahrbar. Ich kenne diesen Raum. Manchmal gelingt es mir leicht in den Raum zu gehen, manchmal brauche ich Zeit und manchmal ist diese Tür zu. Besonders dann, wenn ich durch äußere Umstände abgelenkt bin, durch zu viel Arbeit, zu viel Freizeitaktivitäten, zu viel oberflächlicher Begegnungen ...
Am leichtesten begegne ich mir Selbst im Wald auf dem Feensteig. An diesem Ort spüre ich die göttliche Präsenz. Hier erhalte ich Zeichen, die mich auf meinem Weg weiterführen.
Es gibt auch ein paar andere Möglichkeiten für mich in diesen Raum einzutreten, ein entspannendes basisches Bad bei Kerzenschein, ein achtsames offenes Begegnen in der Stille mit anderen Menschen ...
Pater Anselm Grün erwähnt dieses milde Licht der Kerze, in dem wir selbst einen milden Blick nach Innen werfen können, unsere Schatten beleuchten. In diesem milden Licht können wir Kontakt aufnehmen zu unserem inneren Kind. Dieses innere Kind ist immer da, mit seinen verletzten Aspekten und seinem göttlichen Anteil. Wir haben gemeinsam diesen verletzten, ungenügenden, ausgegrenzten, verlorenen Anteil ..., der in uns ist gewürdigt und in den Arm genommen. Dann haben wir den göttlichen Funken, das göttliche Kind in uns hell leuchtend und groß werden lassen, damit es uns durch Raum und Zeit trägt.
Advent, die Zeit des Ankommens, des Ankommens bei uns Selbst.
Seit über 300 Tagen durchlaufe ich das Jahr und reflektiere das Werden und Vergehen auf dem Feensteig. Jetzt zieht sich die Natur zurück, um selbst wieder Kraft zu schöpfen. Dieses Jahr war und ist für mich die wertvollste Erfahrung meines Lebens. Ich sehe wie die Natur ihrem Rhythmus folgt. Ich reflektiere meine Tage, die ich geschenkt bekomme. Ganz bewusst schaffe ich mir Zeiten der wachen Präsenz auf dem Weg. Dadurch erzeuge ich ein Momentum der Achtsamkeit und in diesem Momentum erkenne ich die Fülle. Zeit ist relativ. Wenn wir sich in der alltäglichen Trance erfahren, dann rennt sie durch unsere Hände. Wenn wir jedoch Momente der Achtsamkeit in diese Zeit legen, kleine Rituale schaffen, dankbar das Geschenk eines neuen Tages begrüßen und segnen und den Tag am Abend reflektieren, den Blick auf das Schöne lenken, was wir erlebt haben, dann sehen und fühlen wir wie kostbar diese Zeit und dieses Leben sind. Und dann staunen wir über die Fülle, die schon immer da war.
Im Advent brennen vier Kerzen im Kreis.
Die erste Kerze steht für die Einheit. In der Stille bin ich ihr begegnet, der
Einheit. Dort in diesem Raum spüre ich, dass wir alle eins sind. Und mit diesem
Gefühl verändert sich meine Sicht auf das Geschehen im Außen.
Die zweite Kerze steht für die Polarität, für Licht und Schatten, für Tag und Nacht ... . Sie zeigt uns diese Aspekte des Lebens, die wir in ihrer gegenpoligen Dimension erfahren wollen.
Die dritte Kerze steht für die Dreieinigkeit von Körper, Geist und Seele; für Kopf, Herz, Bauch ... . Die Zahl Drei, die nähert sich dem Kreis an. Das habe ich gestern gelesen. Pi, die transzendente Zahl.
Die vierte Kerze steht für die Materialisation. Das Kind, der göttliche Funken wird in der Mutter Erde geborgen.
Für mich steht die Zahl Vier auch für die vier Elemente, Feuer, Wasser, Erde, Luft und die vier Himmelsrichtungen, Osten, Süden, Westen, Norden, für die vier Jahreszeiten, Winter, Frühling, Sommer, Herbst – die Vier ist greifbarer für uns im Alltäglichen, so sehe ich es.
Und auch hier begegnet mit in der Vier das Kreuz, die Kreuzung. Das Kreuz zeigt in vier Richtungen. Durch Hinzunahme des fünften Elementes entsteht ein dreidimensionales Gebilde. So begegnet mir in der Zahl Fünf, das fünfte Element.
Feuer, Wasser, Erde, Luft – Äther
Osten, Süden, Westen, Norden – die fünfte Dimension als Verbindung zwischen Himmel und Erde
Winter, Frühling, Sommer, Herbst – und die Fünfte Jahreszeit.
Die FÜNF ist mir in den letzten Tagen sehr oft begegnet.
Fünf Uhren sind im Schloss stehen geblieben als Jonas vom Baum gefallen
ist.
Fünf Grenzsteine stehen im Schlosspark.
Fünf Finger hat die Hand und er graue Handschuh an der Esche.
Fünf deutliche Zeichen sind mir in diesem Jahr auf dem Feensteig
begegnet.
Und jetzt sind es noch fünf Wochen bis sich dieser Jahreskreis auf dem Feensteig schließt.
An Thüringen, das Thüringer Becken, schließen sich fünf Bundesländer an. Vielleicht liegt ja hier in diesem Becken die Quelle der Kraft für Veränderung und Neubeginn.
Am Nachmittag gehe ich mit zwei wunderbaren Menschen in den Wald, auf den Feensteig. Wir wollen ihn gemeinsam spüren, diesen Weg, der Natur lauschen und die Zeichen des Pfades sehen.
Katrin