20. 04. 2021 Augen Blick
„Liebe
Britt,
hast du schon einmal einen Baum weinen sehen?
Vor ein paar Tagen haben sie auf dem Feensteig eine schöne Hainbuche gefällt. Der Baum hatte sich über den Weg geneigt, sich gebeugt.
Ich stehe hier und fühle, dass sich dieser kräftige Baum einer anderen Hainbuche zugeneigt hatte. Beide Bäume haben sich in ihren Kronen vereint. Die zweite Buche steht aufrecht und ist ganz zart. Gestern ist mir aufgefallen, dass der Stamm feucht glänzt. Ab der Hälfte des Stammes ist er richtig nass, wie ich gerade sehe.
Ich schaue am Stamm entlang und sehe: Der Baum, er weint. Aus zwei „Augen“ tropfen klare Tränen. Er ist durch das Umfallen des anderen Baumes verletzt worden. Er steht aufrecht, mit nassem Stamm.
Während ich hier bin, weine ich gemeinsam mit ihnen. Tränen laufen über meine Wangen. Wieso verstehen wir Menschen nicht, dass die Natur belebt und beseelt ist?
Gestern habe ich etwas gehört: „Die längste Reise ist die, vom Kopf ins Herz“, also vom Verstand ins fühlen wahrer Liebe, vom Erkennen, dass alles EINS ist und alles miteinander verwoben ist. Alles ist LIEBE.
Auch, wenn die offene Wunde des gefallenen Baumes jetzt mit Erde bedeckt ist, so sehe ich doch die Schleifspuren seiner Krone auf dem Boden und fühle den Schmerz.
Tränen – das Blut der Seele.
Manchmal fallen sie aus Freude, manchmal aus Traurigkeit.
Mögen mehr Freudentränen fließen über alles Schöne und Liebende.“
Die Weisheit der Bäume.
Etwas später sehe ich eine Eberesche mit zwei Misteln rechts und links - wie zwei Augen leuchten sie grün im knospenden Baum.
In schaue genauer hin und sehe ein drittes „Auge“ in der Mitte der Krone.
Die Natur ist voller Wunder.
Katrin