21. 11. 2019 Regenbogen und Segen
Gottes Zeichen und heilende Kraft
Weiblichkeit – diesen Gedanken reflektiere ich heute Morgen mit Britt. Für sie ist Weiblichkeit mit Mutter Erde verbunden, mit dem Nährenden. Diese Mutter Erde wir immer mehr beackert, bebaut, ausgenutzt.
Hohe Gebäude geben Druck auf die Erde, tiefe Keller und Fundamente graben sich in den Schoß der Erde ein. Öl, Gas und andere Bodenschätze werden immer mehr aus unsere Erde entnommen. Technische Geräte durchpflügen den Boden, reißen auf, verletzen.
Ein Stückchen der heilen Welt finden wir in unseren ursprünglichen Wäldern. Dort ist der Mutterboden noch weitgehend gesund. Der Hainich und der Feensteig sind solche heilen Naturschätze. Vielleicht fühlen wir uns deshalb so wohl hier und haben das Gefühl, wieder heil zu werden.
Hier im Hainich folgt alles seinem natürlichen Rhythmus von Werden und Vergehen. Wir sind stille Beobachter des Jahreskreises von Ruhe, Aufbruch, Aufblühen, Reife, Ernte und Rückzug.
Im natürlichen Rhythmus findet immer wieder Re-Generation statt.
Ich bin heute nur in Gedanken auf dem Feensteig. Mein Auto muss zum TÜV nach Mühlhausen in die Werkstatt und ich verbringe mindestens drei Stunden in der Innenstadt.
Eine Mitarbeiterin des Autohauses fährt mich in das Zentrum. Wir kommen ins Reden. Achtsamkeit, das Hier & Jetzt, der Feensteig und wie alles miteinander verbunden ist, das sind Themen auf dem kurzen Weg. Ich erzähle ihr von Johann August Röbling und unserem Besuch in New York auf der Brooklyn Bridge. Dann erwähne ich den Architekten, der ebenfalls aus Mühlhausen stammt. Der Name fällt mir nicht ein.
Die junge Frau lässt mich aussteigen. Ich weiß noch nicht, wie ich die nächsten Stunden verbringe. Ich habe mir ein Buch mitgenommen und den Gedanken, mich in ein Café zu setzen. Jetzt fällt mein Blick auf ein Schild an einem Haus. Da steht: „Geburtshaus von Friedrich August Stüler, Architekt, 1800 bis 1865“. Was für ein „Zufall“. Das ist der Name des Architekten. Gegenüber ist die Marienkirche. „Von Einhörnern und Drachentötern“ steht dort geschrieben. „Mittelalterliche Kunst aus Thüringen“.
Ich kaufe mir eine Karte für das Museum und trete ein in diese geschichtliche Welt. Eine Ausstellung zeigt verschiedene Kunstgegenstände. Ich sehe Altarbilder auf denen Maria mit einem Einhorn abgebildet ist. Der Erzengel Gabriel und die vier Tugenden sind zu sehen. Das Einhorn sucht im Schoße von Maria Schutz. Maria selbst befindet sich in einem abgeschlossenen Garten. Diese sinnbildliche Darstellung der unbefleckten Empfängnis ist besonders im Spätmittelalter in Thüringen verbreitet, so lese ich es.
Ich entdecke viele Darstellungen in denen Maria als Himmelskönigin dargestellt wird. Oft liegt eine Mondsichel zu ihren Füßen und manchmal erscheint sie im Strahlenkranz der Sonne.
Ich entdecke Darstellungen vom Drachentöter Georg. Der Drachen steht sinnbildlich für alles Böse in der Welt.
In dieser Kirche predigte auch Thomas Müntzer. Ich lese auf einer Tafel, dass die Bauern auf jede Fahne einen Regenbogen gemalt hatten. Müntzer habe gesagt, das sei ein Zeichen für den Bund Gottes. „Und nachdem Müntzer drei Tage nacheinander vor den Bauern gepredigt hatte, sahen sie am Himmel um die Sonne herum einen Regenbogen.“ (Quelle: Dauerausstellung Marienkirche Mühlhausen). Thomas Müntzer – Theologe, Reformator, Drucker, Revolutionär in der Zeit des Bauernkrieges. Sein Name ist mit der Stadt Mühlhausen untrennbar verbunden.
Mein Blick schweift weiter durch die Kunstschätze der Kirche und bleibt an einem hölzernen Kasten mit zwölf Türen hängen. Darauf sind verschieden Symbole. Drei der Symbole berühren mich tief. Die gekreuzten Schlüssel des Petrus, das Andreaskreuz und ein drittes Symbol, das ich gestern in die Luft gezeichnet habe: der Halbkreis und der Winkel. Ich bin sehr gespannt wofür dieses Symbol steht.
Kann ich diese Tür öffnen? Ich taste mich vorsichtig heran und mache sie auf.
„Attribut: Winkelmaß“ steht da. Was ist das? Der heilige Matthias begegnet mir hier. Er wird als 13. Apostel beschrieben. Ich kann mich nicht daran erinnern, dies schon einmal gehört zu haben.
„Blinde wieder sehend machen - Nach dem Verrat an Jesus beging Judas Ischariot Selbstmord. Darauf wurde Matthias durch das Los in die Runde der Apostel aufgenommen. Eine Legende erzählt, dass er von Heiden auf die Probe gestellt wurde. Er soll von einem Getränk kosten, das blind macht. Matthias jedoch segnete den Trank und blieb sehend. Nun probierten auch die Heiden und erblindeten allesamt. Matthias erbat von Gott ihre Heilung.“ (Quelle Ausstellung in der Marienkirche zu Mühlhausen).
So begegnet mir hier hinter dem „Winkelmaß“ der 13. Apostel Matthias und mit ihm der göttliche Aspekt der Heilung und des Glaubens – Der SEGEN.
Pater Anselm Grün und mein Freund Friedrich Assländer haben gemeinsam ein Buch geschrieben. Es heißt: „Segen – die heilende Kraft“
Vielleicht ist es ja wirklich so einfach.
Nach einem kurzen Abstecher in zwei weitere Museen der Stadt, hole ich mein Auto in der Werkstatt ab. Der Werkstattmeister sagt zu mir: „Sie bekommen den Schein heute nicht, das Auto ist aus der Spur.“ Ein nur sechs Jahre altes Auto mit Stern bekommt keinen TÜV, weil es aus der Spur ist. Vielleicht spiegelt mich dieses Auto gerade. Mein Leben ist etwas aus der „normalen“ Spur, dadurch ergeben sich in meinem Leben Wegkreuzungen, Lebenslinien überkreuzen sich, wahre Begegnungen finden statt.
Mein Auto lasse ich jedoch wieder in die Spur bringen, damit ich sicher neue Spuren ziehen kann.
Katrin