28. 06. 2019 Die Schmetterlingsflüsterin
Von Admiralen und anderen Glücksboten
„Entwirf deinen Reiseplan
im Großen – und lass dich im Einzelnen von der bunten Stunde treiben.
Die größte Sehenswürdigkeit, die es gibt, ist die Welt – sieh sie dir an.“ Kurt
Tucholsky
Eine Wanderung der besonderen Art, so war das heutige Programm im Hotel ausgeschrieben. Achtsamkeit - Die Welt entdecken mit allen Sinnen – sehen – hören – fühlen – riechen – schmecken, damit wir wieder in Balance kommen.
Der Weg führte uns über Blütenwiesen, durch urwaldähnliche Waldgebiete. Die Flora und Fauna erinnerte mich an den Feensteig. Ich entdeckte Wiesenschaumkraut, Hornklee, Hornveilchen, Holunder, viele Wildkräuter und Schmetterlinge.
Ein besonders schöner Schmetterling segelte über meinen Weg. Er war schnell, doch indem ich selbst langsam wurde, innehielt, hielt auch der Schmetterling inne. Es war eine besondere Begegnung. Ich hockte auf dem Weg. Der Schmetterling ließ sich nur wenige Meter neben mir nieder. Ich beobachtete ihn und nahm über meine Gedanken Kontakt mit ihm auf. Ganz langsam durfte ich mich nähern. Er faltete seine Flügel zusammen, ließ sich fotografieren und dann öffnete und schloss er sie in seinem eigenen Rhythmus. Es war wie ein Tanz. Ich durfte mich bis auf wenige Zentimeter nähern. Mir gelang ein schönes Foto von seiner entfalteten Schönheit. Es war ein Admiral. Wunderschön.
Diese Begegnung hat mich tief berührt.
Etwas später begegnete mir ein ganz weißer Schmetterling. Auch dieser hielt zu mit Kontakt und blieb im großen Grün sitzen. Er spreizte seine kleinen zarten Flügel. Dieser Schmetterling war so zart – lichtdurchscheinend.
Heute Morgen gab es im Hotel kleine Zettel als Lose. Auf meinem Zettel stand: „Suchen Sie ganz bewusst auf Ihrem Weg nach einem vierblättrigen Kleeblatt.“ Ich habe den Weg aufmerksam betrachtet, habe Kleeblätter gefunden. Wilde ursprüngliche Kleeblätter, die wie Herzen aussahen. Die Zahl Drei war präsent. Kein Vierblättriges Glückskleeblatt begegnete mir auf meinem Weg. Etwas später fiel mein Blick auf einen Haselnussstrauch. Dort waren doch tatsächlich Vier Haselnüsse wie ein Kleeblatt angeordnet. Das war viel viel schöner. Zauberhaft wie die 4 Haselnüsse am Baum hingen, wie im Märchen „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ oder „Hier & Jetzt - Vier Haselnüsse für Katrin“.
Ich war für einen Teil des Tages wieder entrückt in meine Kinder- und Märchenzeit. Unser Weg führte uns über eine Wiese mit frisch gemähtem Gras. Das Heu duftete und ich erinnerte mich an meine Kinderzeit als ich im frischen Heu lag und den Duft des Sommers einatmete.
Der Weg offenbarte uns auch den Geschmack des Sommers. Reife, wilde Erdbeeren, zuckersüß und dunkelrot, hingen an den Büschen. Ein köstlicher Genuss, intensiv, aromatisch. Bei den Germanen verkündeten die ersten Erdbeeren die Ankunft des Sommers. Der Sommer sowie das „Großmütterchen Immergrün“ heilen Kranke – sie gesundet am Busen der Natur. Brüstlein, so wurden Erdbeeren in einigen Gegenden genannt. Sie gehören zur Sommerholla. Die Erdbeere gehörte symbolisch zu vielen antiken Liebesgöttinen wie Freya oder Venus. Sie stehen für Ausdruck von Sinnlichkeit und sexueller Lust.
Da Erdbeeren zu den Rosengewächsen gehören, wurden sie später der Jungfrau Maria zugesprochen. Die dreiteiligen Blätter gelten als Symbol der Dreieinigkeit, die fünf Blütenblätter stehen seit dem Mittelalter für die fünf Kreuzigungswunden Christi. Die rote Frucht wurde als das vergossene Blut Christi gedeutet.
Die Wilden, Lust versprechenden Erdbeeren, wachsen auch auf dem Feensteig.
Erdbeeren sind die Paradiespflanze in der christlichen Kunst. Sie erscheinen bei Ovid als Speise des Goldenen Zeitalters. Indem wir unsere Sinne wieder schulen, uns für die Wunder am Wegesrand öffnen, entdecken wir das wahre Paradies. Es ist überall auf unserer Welt.
„Die größte Sehenswürdigkeit, die es gibt, ist die Welt - sieh sie dir an.“ Kurt Tucholsky
So steht es im Hotel auf einem Schild am Fußboden. Ja – diese Welt ist würdig in Liebe betrachtet zu werden.
