05. 11. 2019 Ein Blick Hier & Jetzt
aus der Gegenwart in die Vergangenheit
„Liebe Julia,
Ich war heute auf dem Feensteig und danach an der Kirche und auf dem Friedhof in Weberstedt.
Mein Blick fiel auf das alte
Denkmal auf dem Friedhof. Dort sind die Namen der Verstorbenen der beiden Weltkriege
aufgeschrieben.
Interessant finde ich die Inschrift:
Am … „gefallen“. Wie doppeldeutig
dieses Wort GEFALLEN ist.
Genau 15 im II. Weltkrieg gefallene Männer sind mit Geburts- und Sterbetag vermerkt. Weitere 10 gelten als vermisst. Der erste Gefallene im 2. WK war Otto Schäfer, der Bruder meiner Oma. Er war so alt wie mein Sohn heute ist, 27 Jahre jung. Der zweite Gefallene war Wolf von Goldacker.
Auch im ersten Weltkrieg ist ein „von Goldacker“ gefallen.
Als ich die Namen der
GEFALLENEN gelesen habe, stiegen mir Tränen in die Augen.
Wer ist Täter? Wer ist Opfer?
Am 9. November jährt sich zum 30. Mal eine friedliche REVOLUTION. Gebete, Kerzen und ein gemeinschaftlicher Gedanke „Wir sind das Volk“ und „Wir bleiben hier“ haben diese Wandlung getragen. Alle anderen Um-Brüche sind immer mit Gewalt einhergegangen. Selbst die Wandlung zum Sozialismus ist un-gerecht verlaufen. In dem Buch von Johannes Siegert „Erinnerungen eines Vertriebenen nach dem Krieg an Weberstedt - Damals 12 Heute 80“, wird das deutlich. Mit der demokratischen Bodenreform in der DDR wurde Großgrundbesitzern, die über 100 ha Grundbesitz hatten, alles entschädigungslos weggenommen. So auch der Adels-Familie von Goldacker.
Ich glaube noch heute ist
dieser Schmerz in der Welt spürbar. Die Opfer der Kriege, die Toten, die
Vertriebenen, die Enteigneten … all das ist noch immer nicht vergeben. Und so
wirkt es heute in unserem Hier & Jetzt und blockiert unsere Projekte. Ihr
lebt und arbeitet heute in einem gemieteten alten Herrenhaus. Die ersten
urkundlichen Erwähnungen eines Herrenhauses in Weberstedt der Herren zu Weberstedt reicht bis 960 n.
Chr. Zurück. Die Stammreihe "von Goldacker" beginnt der Sage nach mit John von Goldacker
,
der 1221 mit der „Heiligen Elisabeth“ aus Kärnten nach Thüringen kam. Mit
dessen Enkel Hermann Goltakker
, Hofmarschall beim Thüringer Landgrafen
Friedrich erscheint die Familie 1316 erstmals urkundlich. Von Goldacker ist
eine sehr alte Adelsfamilie, die über Jahrhunderte bis 1945 in Weberstedt
lebte.
Meine Mama ist hier in Weberstedt geboren und aufgewachsen. Sie erzählte mir,
dass Hans von Goldacker im von 1924 bis
1930 im Reichstag war und verhindert hat, dass ein Truppenübungsplatz in den
Hainich kommt.
Viele Menschen werden durch Kriege und Unrecht aus ihren Ländern, ihrer Heimat entwurzelt. Ihnen wurde und wird der Boden genommen, quasi der Boden unter den Füßen weggezogen.
Wir sind jedoch nur Gast auf dieser Erde. Uns gehört nichts. Sobald wir eine „Besitzurkunde“ von einem Stück Land haben, sind wir verantwortlich. Wir sind verantwortlich wie wir mit diesem kleinen Stückchen Erde umgehen, egal ob eine Ackerfläche, eine Waldfläche, Garten - oder Betriebsfläche ist. Wir sind dafür verantwortlich was wir darauf säen, ob es dem Wohle aller und der Schöpfung dient. All das ist nur auf Zeit geliehen. Die Erde gehört sich selbst. Und wir sind ihre Hüter.
Auch ich habe seit diesem Jahr eine Urkunde von einem kleinen Stückchen Erde in Bad Langensalza. Ich bin Hüterin dieses Ortes und werde alles dafür tun, dass es ein guter Platz zum arbeiten und leben sein wird. Dort bauen wir eine Zahnarztpraxis, um Menschen ein schönes Lächeln zu schenken. Glücklicher durch schöne Zähne. Es wird ein Ort, an dem Zahnengel mit Liebe wirken.
Hier, in Weberstedt, sind meine Eltern, meine Ahnen noch die Hüter des Grundstücks und paradiesischen Gartens in dem wir leben. Ich bin glücklich hier zu sein und fühle mich seelisch darüber hinaus mit dem Feensteig verbunden und behüte diesen wunderbaren Weg.
An der alten Eiche habe ich
heute ein Foto gemacht. Es ist ein Blick aus der Gegenwart in die
Vergangenheit. Durch die Öffnung der alten Eiche entsteht eine Sicht auf einen
alten Grenzstein. Das Wappen ist nicht mehr sichtbar. Grünes Moos ist darüber gewachsen und hat es dieses Land somit der Erde zurückübereignet. Dadurch ist der feensteig wirklich frei.
Möge immer ein Licht aus Weberstedt
leuchten und der Frieden in diese Welt ziehen.
Mögen wir alles vergeben und möge uns und unseren Ahnen alles vergeben werden,
was nicht in Liebe und Frieden war.
Möge der Frieden aus dem grünen heilenden Herzen in diese Welt einziehen.“
Katrin