02. 11. 2019 Sonne und Mond
Im Rhythmus sein
Am frühen Nachmittag laufe ich zum Feensteig. Ich nehme den Weg durch den Park am Schloss Goldacker. Ich schaue auf die Bäume, die hier stehen. Die alte knorrige Buche mit ihrem dicken Stamm und den verzweigten Ästen zieht meinen Blick auf sich. Was hat sie wohl alles schon erlebt? Welche Geschichten könnte sie uns erzählen? Es ist ein Baum, der zum Klettern einlädt. Ob Jonas hier in die Spitze geklettert ist, frage ich mich.
Ich laufe an der Spielscheune den Weg zum Wald entlang. In der Nähe des Parkplatzes liegt eine silberne Scheibe und leuchtet in der Sonne. Sie sieht aus wie der silberne Mond. Ich erinnere mich an das Seminar vom Donnerstag. Mond - das ist das weibliche Prinzip. Wenige Schritte später spiegelt sich die Sonne auf dem Kopfsteinpflaster und leuchtet silbern. Ein weiteres Mal begegnet mir diese silberne Spiegelung. Im Kiefernwäldchen liegen zwei Ahornblätter eng aufeinander. Das eine leuchtet gelbgold wie die Sonne, das andere zeigt seine Rückseite und schillert silbrig.
Sonne und Mond zwei Aspekte des Lebens. Die Sonne stand in den alten Kulturen für das männliche Prinzip, der Mond für das weiblichen. Jahrtausende lang lebten die Menschen in diesem Rhythmus der Natur. 13 Monde hat ein Sonnenjahr. Hier sind beide Aspekte vereint. In den alten Kulturen wurde diesem Rhythmus Beachtung geschenkt. Die Jahreskreisfeste orientierten sich am natürlichen Rhythmus. Es gab vier Sonnenfeste. Der kürzeste Tag im Dezember, die Tag- und Nachtgleichen im März und September und der längste Tag im Juni, diese besonderen vom Universum vorgegebenen Zeiten wurden gefeiert. Steinkreise und andere Bauwerke erinnern noch heute an vergangene Rituale. Das Sonnenobservatorium in Goseck, die Himmelsscheibe von Nebra ... – das sind alles Zeitzeugnisse unserer Vorfahren, die hier in Deutschland im Einklang mit der Natur lebten.
Unsere christlich geprägten Feste spiegeln sich in diesem alten Wissen wider, sind jedoch etwas in der Zeit verrückt. Statt am 21. Dezember feiern wir heute den 24. Dezember.
Im keltischen Jahreskreis gibt es vier weitere Feste, die vom Mond bestimmt sind: Samhain, Imbolc, Bel-tain und Lugh-nasad.
In alten Zeiten lebten die Menschen im natürlichen Rhythmus der Natur und gestalteten so ihren Jahreskreises, den sie feierten.
Seit einem Jahr lebe ich zunehmend wieder im Rhythmus des Natürlichen und nehme die Natur und deren Zeichen achtsam wahr. Ich spüre mehr und mehr die Ruhe und Kraft, die ich dadurch entfalte.
Als ich nach Hause komme, liegt ein gelbes Paket vor meiner Tür. Den Namen des Absenders kenne ich nicht. Ich öffne das Paket und bin sehr erstaunt was ich vorfinde: Das erste Wintertagebuch Feensteig im Hier & Jetzt ist zurück. Welche Linie ist es wohl? Ich bin gespannt.
Lauschen – Das Buch Lauschen ist wieder zu Hause. Dieses Buch ist durch meine Mutti, meine weibliche Ahnenlinie in die Welt gegeben worden. Was mache ich jetzt damit?
Gebe
ich es dem ersten Menschen, der mir morgen begegnet?
Gebe
ich es einer Person, die am 11. Mai zur Feensteig-Geburtstagsfeier war?
Schicke
ich es an einen Freund?
Ich frage Britt, um dem nachzuspüren. Das Buch ist nicht vollgeschrieben. Es sind noch leere Seiten vorhanden. Britt fragt mich, wie viele es sind. Ich zähle ... eins zwei ... achtundzwanzig. Es sind 28 leere Seiten, soviel wie eine Mondphase.
Jetzt weiß ich was ich mache. Dieses Buch bleibt hier zu Hause bei mir. Ich lausche an 28 Tagen was mir der universelle geist auf dem Feensteig zuflüstert unter dem Aspekt Weiblichkeit. Ich gebe meiner Weiblichkeit wieder mehr Raum.
Julia schreibt mir ein paar Gedanken zum Thema Lauschen:
„Lauschen auf die kleinen Dinge, die unscheinbaren, die Menschen, die uns umgeben, in Situationen, in Erlebtes, in Träume, Bedürfnisse, Wünsche, in uns und unser Herz. Lauschen nach der Liebe und dem Vertrauen in uns. Und feststellen: es ist um uns und ist in uns.“
Am Nachmittag fahre ich mit meinem Auto von Schönstedt nach Weberstedt. Ein neues Lied von Udo Lindenberg erklingt im Radio. Ich schaue „zufällig“ in den Rückspiegel und erblicke einen Regenbogen wie ich ihn noch nie gesehen habe, kräftig leuchtend, breit und doppelt.
Dieser Regenbogen ist für mich ein Zeichen dafür, dass ich neue Türen in mir öffne, um tiefer, höher und weiter in den Raum zwischen den Welten zu gehen.
Ich
zeige dieses Foto Johanna. Sie sagt: „Hast du das Gold gefunden?“ Das Gold liegt
am Anfang des Regenbogens, so eine Sage. Vielleicht ist es das, was wir wieder
finden sollen, die goldenen Momente am Anfang des Regenbogens, dort wo
Vertrauen und Liebe ewig ist.
